"Die Basis arbeitet Frieden stiftend"

Veröffentlicht am 28.10.2009 in Presse

Interview in der Ausgabe der Frankenpost vom 28.10.2009:

Neue Wege - Albrecht Schläger aus Hohenberg an der Eger steht an der Spitze mehrerer Vertriebenenverbände. Er findet, dass auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet der Austausch mit Tschechien bestens funktioniert. Der SPD-Politiker setzt sich für ein europaweites Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin ein.

Sie sind Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen und Generalsekretär des Sudetendeutschen Rates. Welche Schwerpunkte haben Sie sich gesetzt?
Im Ausgleich zwischen den früheren Vertreiberstaaten und uns. Im Sudetendeutschen Rat geht es in erster Linie um Tschechien, beim Bund der Vertriebenen um Gesamtdeutschland mit allen Vertreiberstaaten. Ich selbst komme nicht aus einer Vertriebenenfamilie. Wir wohnen in Hohenberg an der Eger, also in unmittelbarer Nähe zur tschechischen Grenze, und ich interessiere mich sehr für meine unmittelbare Nachbarschaft. Vor sechs Jahren hat mich die Bundesregierung in den Verwaltungsrat des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds berufen, in dem vier Tschechen und vier Deutsche sitzen. In dieser Funktion ist es mir gelungen, viel Geld für grenzüberschreitende Projekte zu mobilisieren.

Zum Beispiel?
Das Festival Mitte Europa wäre ohne die Zuschüsse aus dem Zukunftsfonds nicht möglich. Oder der deutsch-tschechische Kindergarten in Schirnding, die deutsch-tschechische Fußballschule und der rege Studentenaustausch. Seit einiger Zeit gehöre ich auch dem Stiftungsrat "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" in Berlin an.

Dort gab es Aufregung um Erika Steinbach, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen...
Man hat Frau Steinbach wahnsinnig Unrecht getan. Doch die, die dies vom Zaun gebrochen haben, haben damit genau das Gegenteil erreicht. Es gab eine große Solidarisierungswelle mit Frau Steinbach.

Offizielle Vertriebenenpolitik wird oft als rückwärtsgewandt, ja sogar reaktionär wahrgenommen. Trifft dies zu?
Dies hat bis vor 20, 30 Jahren oftmals gestimmt. In der Zwischenzeit ist es so, dass fast alle Vertriebenenorganisationen Schrittmacher im Ausgleich mit den Vertreiberstaaten sind. Es gibt Hunderte, ja Tausende von Heimatgruppen, die beste Kontakte in ihre alte Heimat pflegen. Was allein zwischen Rehau und Asch stattfindet, ist beispielhaft. Im Gegensatz zu den Regierungen arbeitet die Basis hervorragend und Frieden stiftend.

Sie sind einer der Vorsitzenden der Seliger-Gemeinde. Worin besteht deren Arbeit?
Die Seliger-Gemeinde ist die Gesinnungsgemeinschaft der sudetendeutschen Sozialdemokraten. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft teilt sich in drei Gruppen auf: die Ackermann-Gemeinde der konservativ geprägten Katholischen, zu der wir hervorragende Kontakte haben, die Seliger-Gemeinde und der Witikobund, der äußerst rechts steht. Es waren viele sudetendeutsche Sozialdemokraten, die 1945/46 nach der Vertreibung in vielen Gemeinden die ersten SPD-Ortsgruppen gegründet haben, vor allem in Altbayern. In der Folge ist es mit der bayerischen SPD aufwärts gegangen. Die besten Erfolge hatte sie unter dem Sudetendeutschen Volkmar Gabert, der bei der Landtagswahl 1966 mit 35,8 Prozent das beste Ergebnis für die bayerische SPD holte. Auch in der Kommunalpolitik waren viele Sudetendeutsche vorne dabei.

Was macht die Seliger-Gemeinde heute?
Es ist ein großes Verdienst der Seliger-Gemeinde, aber auch der Ackermann-Gemeinde, dass an der Basis zwischen Tschechen und Deutschen viel läuft.

EU-Kommissar Günter Verheugen hat kürzlich der CSU vorgeworfen, sie habe Schuld an der Blockadehaltung der Prager Regierung gegenüber der EU. Wie sehen Sie die Sache?
Da war Verheugen total falsch beraten. Die verschrobene Einstellung des tschechischen Präsidenten Václav Klaus manchen Problemen gegenüber kann man nicht der bayerischen Staatsregierung anlasten, wenngleich diese oft etwas schwerfällig war bei ihren Handreichungen gegenüber Tschechien. Ideologisch ist Klaus bezüglich der EU auf einer Linie mit den Kommunisten. In Tschechien hatten die Kinder in der Schule gelernt, dass die Sudetendeutschen 1938 mit Hitler kamen und sie 1945 wieder zurückgeschickt wurden. Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, zu sehen, dass wir eine gemeinsame 800-jährige Geschichte haben. Inzwischen sind die Schulbücher aber überarbeitet.

Sie setzen sich für ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin ein. Wie soll das aussehen?
Die Ausstellung "Erzwungene Wege" der Stiftung gegen Vertreibungen, die in zahlreichen großen Städten in Deutschland gezeigt wurde, kann als Vorbild gelten. In dieser Ausstellung wurde die Vertreibung der Griechen aus der Türkei ebenso thematisiert wie die Vertreibung der Finnen aus Karelien und die der Polen aus Ostpolen. Die Stiftung hat jetzt als weitere große Ausstellung "Die Gerufenen" zusammengestellt, in der anhand von Beispielen gezeigt wird, wie in den letzten 400, 500 Jahren die Fürsten in Polen, Russland, Rumänien, Ungarn und anderen Ländern deutsche Handwerker und Bauern als Siedler gerufen hatten. Das geplante Zentrum soll europäische Dimensionen haben und Flucht und Vertreibung in ganz Europa mit allen Konsequenzen aufzeigen.

Sie sind einer der Initiatoren der Marienbader Erklärung. Worum geht es bei diesem Papier?
Wir wollten neue Wege beschreiten, damit die Hindernisse auf der Regierungsebene zwischen München und Prag endgültig überwunden werden. Auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet funktioniert der Austausch bestens und es ist unmöglich, dass es die Regierungsebene bisher nicht hinbekommen hat.

Die Unterzeichner dieser Erklärung kommen aus den verschiedensten Berufen. Unter anderem gehört die Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek dazu. Wie sind die Kontakte entstanden?
Die 24 Unterzeichner haben sich untereinander schon gekannt. Das sind alles vernünftige Leute und wir haben gedacht, jeder kann auf seinem Gebiet etwas anstoßen, und es hat den Anschein, als würde es auch klappen. Wir wollten eine gewisse Breitenwirkung erreichen, damit unser Anliegen eine Zukunft hat.

Noch eine letzte Frage: Was schätzen Sie an den Tschechen?
Mit dieser Frage habe ich etwas Probleme, weil ich nicht sehen kann, was bei den Tschechen so viel anders ist als bei den Franzosen oder Engländern. Die Menschen in Mitteleuropa sind nicht grundverschieden. Wir haben das gemeinsame christliche Abendland, und dieser Kulturkreis war prägend für uns alle.

Das Gespräch führte Elfriede Schneider.

 

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